Winterzeit, die Tage zum Fliegen werden weniger und kürzer, das Träumen davon wohlmöglich mehr. Das gibt uns Zeit für eine Inter View: Ueli Neuenschwander hat seinen Job- und Flugkollegen Gabor Kezi befragt und der Akrocrack gibt Auskunft über die Anfänge seiner Karriere, etc... doch lest selbst.
Ueli: Gabor, Du arbeitest als Fluglehrer in einem Sommerberuf, was machst Du jetzt im Winter wo in der Flugschule weniger läuft?
Gabor: Ich träume vom Fliegen… und nehme mir Zeit für andere Sachen, für die man in der Hauptsaison weniger hat: Planung des nächsten Jahrs, Revision von Material & Webseiten, Übersetzungen für paraworld.ch, usw. Das heisst viel vor dem Computer sitzen. Trotz der manchmal trockenen Arbeit bin ich echt gespannt auf gewisse Projekte: ich mache eine neue Reise für erfahrene Piloten nach Bulgarien, anfangs April 2017. Es wird ein echtes XC-Camp mit Rückholservice, in Sopot, dem Austragungsort der Weltmeisterschaften von 2013. Es wird ein Highlight für mich und sicher für alle Teilnehmer die mitkommen werden, am Anfang der Streckenflugsaison! Zusätzlich freue ich mich auf ein Videoprojekt, das wir bei paraworld.ch gerade vorbereiten; wir planen eine Serie von kurzen informativen Videos, die unser Knowhow über gewisse Manöver und Techniken beim Fliegen weitergeben sollen, das alles in einem lockeren und coolen Art. In diesem Projekt werde ich als `Schauspieler` und Editor auch eine wichtige Rolle haben. Auch freue ich mich auf die Flugtage mit Winterstimmung und natürlich auf mehr Zeit mit meiner Familie.
Du fliegst seit 2002, bist ehemaliger Akro-Weltmeister, wie kamst Du zum Fliegen und weshalb hat Dich die Akrofliegerei gereizt?
Ich war in 2002 Ende Februar in Frankreich in einem Skilager. In der Bahn sitzend habe ich plötzlich einen Gleitschirmpilot entdeckt. Er ist neben der Bahn vorbeigeflogen, später ganz sanft neben der Talstation gelandet. Ich habe noch nie zuvor einen Gleitschirm gesehen und das Bild vom Gleitschirm vor der schönen Kulissen der Französischen Alpen hat sich in mein Gehirn eingebrannt. Ich wusste sofort, dass ich das Gleitschirmfliegen irgendwie selber ausprobieren und erleben muss. Eine Woche später war ich, in einem kleinen Fluggebiet nahe Budapest, schon am Groundhändeln. Mit dem Akrofliegen habe ich nicht bewusst angefangen. Schon bei meinem ersten Höhenflug wollte ich den Schirm irgendwie aufschaukeln, um etwas davon zu lernen – mein Fluglehrer hat sich aber nicht wirklich darüber gefreut… In den ersten Zeiten war ich viel am Thermikfliegen und wenn es möglich war, bin ich auch auf Strecke gegangen. Es hat mich dabei immer gereizt, die Limiten von meiner Ausrüstung und von mir selber kennen zu lernen und wenn möglich weiter zu erweitern. Ich habe zuerst an einem, dann an mehreren Sicherheitstrainings teilgenommen und gemerkt, wie viel Sicherheit ich über so ein Training gewinne. Das Fliegen hat noch mehr Spass gemacht. Anno 2004 habe ich an einer kleinen nationalen Akromeisterschaft in Ungarn teilgenommen – und gewonnen. Das war eine zusätzliche Motivationsspritze und im 2005 war ich bereits Weltcup-Teilnehmer. Akro-Weltmeister bin ich eigentlich gar nicht, aber Weltcupsieger. Im 2011 bin ich, zusammen mit meinem Partner Pal Takats, Gesamt-Weltcupsieger geworden.
Und an welchem Punkt in Deiner Laufbahn hast Du Dich für den Beruf Fluglehrer entschieden?
Schon nach einem Jahr in der Fliegerei habe ich viel Flugerfahrung gesammelt und andere Piloten haben mir oft Fragen gestellt. Ich habe immer gerne geantwortet und geholfen. Relativ früh, schon Ende 2004 habe ich den ungarischen Fluglehrertitel gemacht, ohne grosse Pläne damit zu haben. Mich hat es einfach gereizt zu fliegen, viel zu reisen und mich weiterzubilden. Mit der Ausbildung von Anfängern setzte ich mich erst 2009 seriös auseinander, nachdem ich in die Schweiz zog.
Du bist seit vielen Jahren auch Sicherheitstrainer. Wie kamst Du dazu?
Eigentlich bin ich zuerst Sicherheitstrainer, dann richtig Fluglehrer geworden:) Mit meinem Ungarischen Fluglehrertitel habe ich 1-2 Mal/ Jahr Sicherheits- und Akrokurse angeboten und gemerkt, dass mir das Unterrichten viel Spass macht. Seither habe ich viele Sicherheits- und Freestyle- und D-bag-Kurse durchgemacht und selber viel gelernt. Wenn man selber etwas gut machen kann bedeutet es noch nicht, dass man das auch gut weitergeben kann. Ich habe sehr viel studiert, wie ich mein Knowhow optimal weitergeben kann und freue mich auf jedes Lächeln, dass ich nach einem erfolgreichen Training im Gesicht der Teilnehmern sehe.
Ein Fluglehrer für SiKu's (kurz für Sicherheitskurs) erlebt viele stressige Momente während des Kurses. Was macht Deiner Meinung nach einen guten Trainer aus oder wie würdest Du Dich als Trainer beschreiben?
Ja, das ist richtig. Der grosse Unterschied ist, wie der SiKu-Leiter auf stressige Moment reagiert. Ich versuche immer ruhig zu bleiben und am Funk ruhig weiterzureden, auch wenn gerade etwas nicht wie geplant gelaufen ist. Mit meiner Funkkommunikation möchte ich den Stress nicht weiter verstärken, sondern gute und überlegte Lösungen bieten. Es braucht teilweise eine gute Selbstkontrolle, mit starkem Herzklopfen ruhig am Funk weiterzureden. Ich denke, der gute Trainer sieht anhand der Kalottenbewegungen, was der Pilot gerade macht, und weiss ganz genau welche Ausdrücke man verwenden soll um verständlich zu bleiben, - er weiss ganz genau, in welchem Moment er Kommandos geben muss, damit der Pilot diese rechtzeitig ausführt. Und natürlich kann er eine persönliche Betreuung anbieten. Es gibt schüchterne Teilnehmer, die man mit der Kommunikation pushen soll, andere, übermutige, muss man zurück halten, bevor sie über ihre Grenzen fliegen. Meine persönlich grösste Herausforderung als SiKu-Leiter ist es, nicht zu viel erreichen und erfliegen zu wollen; es ist wichtig eine optimale Balance zwischen Briefing / Fliegen / Ruhezeit zu finden.
Du bist überzeugt davon, dass viertägige SiKu`s der Schlüssel zum Erfolg sind. Reichen zwei Tage nicht aus, um die gängigen Manöver zu lernen?
Für mich ist ein SiKu nicht ein Abspulen einer Manöverliste. Ich möchte, dass meine Teilnehmer im Kurs viel lernen, vorallem aber dass sie die gelernten Manöver auch selbständig fliegen können. An einem zweitägigen Kurs kann man natürlich auch einiges machen, aber Manöver werden eher nur ausprobiert anstatt beherrscht. Beim Lernen kommt nach der Ebene des Erlebnis' das Erwerben, Anwenden und Gestalten des Erlernten. Aber diese höheren Niveaus kann man nur mit Repetition erreichen.
Was denkst Du, ist der Hauptgrund, weshalb Deine Kursteilnehmer ein SiKu machen?
Gute Frage. Ich habe in Norwegen mal Sicherheitstrainings geleitet. Dort MÜSSEN Piloten einen SiKu absolvieren, um die entsprechenden Pilotenlizenz zu erwerben. Die meisten Teilnehmer wollten nicht primär etwas lernen, sie wollten einfach ihr Kontrollblatt abgestempelt haben... Ich kriege immer noch Rückmeldungen jener Teilnehmer, wie viel sie vom Kurs profitiert haben, und dass sie jederzeit noch einmal kommen würden. In der Schweiz ist es ja kein Zwang, aber immer mehr Piloten merken, dass ein SiKu die erste und wichtigste Weiterbildung ist, die man nach dem Brevet in Angriff nehmen sollte. Dadurch wird man nicht nur sicherer fliegen, sondern auch garantiert mehr Spass beim Fliegen haben.
Und aus welchen Gründen würdest Du einem Piloten ein SiKu empfehlen? – denkst Du, dass ein Pilot nach dem SiKu tatsächlich sicherer und mit mehr Freude fliegt?
Aha! Siehst du? Genau meine Antwort vorher – auf jeden Fall!
Macht die Teilnahme an einem SiKu Spass oder geht es nur darum, möglichst krasse Situationen herbeizuführen?
Ein SiKu ist definitiv nicht ohne… Man kommt ans eigene Limit und verlässt die Komfortzone, und das ist für unser Psyche eine grosse Herausforderung. Wenn man aber die ersten paar wichtigen Schritte gemacht hat, merkt man, dass dieses "Ausserhalb der Komfortzone" Spass machen und man sich dabei wohl fühlen kann. Ein SiKu ist zudem eine Flugreise: Wir fahren, fliegen, essen zusammen, lernen einander – und natürlich sich selber – ein wenig besser kennen. Also der Spassfaktor ist definitiv hoch.
Es gibt Piloten, die machen Jahrelang kein SiKu, weil sie sagen, dass sie ja nur sehr sichere Schirme fliegen, was ist hier Deine Meinung?
Das muss jeder selbst wissen und entscheiden...
Ist ein SiKu eine gute Vorbereitung auf die kommende Saison oder sollte man ein SiKu besser nicht im Frühjahr machen, weil man durch den Winter "eingerostet" ist?
Definitiv. Obwohl es ist nie falsch an einem SiKu teilzunehmen. Für mich macht es im Frühjahr am meisten Sinn. Meine Erfahrung zeigt jedoch, dass Piloten das nicht oder vielleicht zu spät checken – die meisten
kommen ende Sommer / Herbst. Vielleicht haben sie Angst, dass das Wasser im Frühling noch zu kalt ist? (lacht)
Wir werden vielmals gefragt, ob man an einem Sicherheitstraining auch Akromanöver fliegen lernt. Reicht die Zeit an einem SiKu um Manöver wie hohe Wingover, SAT und Helikopter zu lernen?
Meine Erfahrung zeigt: An einem ersten SiKu kann man den SAT lernen und die Wingovers dergestalt verbessern, dass man nach dem Kurs selbständig weiter trainieren kann. Der Heli ist für Fortgeschrittene, daher eher ab einem zweiten SiKu realistisch.
Danke Gabor und viel Verngügen mit Deinen Winterprojekten und Deiner Familie!