Ein Flug vom Twäriberg (2117 m ü. M.) in den Westlichen Sihltaler Alpen setzt griffiges Sohlenprofil und makellosen Windbedingungen voraus. Und natürlich einige überwundene Höhenmeter, Wegelagerer und Blicke in die Tiefe.
Den steilen, grünen Zahn habe ich im Vorbeiflug aus der Luft entdeckt und mich dabei gefragt, der ich schon oft im Hoch-Ybrig geflogen bin, warum ich den Twäriberg nicht schon eher bewusst wahrgenommen habe. Tatsächlich steht er etwas im Schatten der massigeren und höheren Nebengipfel Druesberg und Forstberg. An Charakteristik und Imposanz steht er diesen jedoch keineswegs nach und in welche Richtung meine Gedankenfolge ihren Flug nahm, wird man erraten können. Später, zuhause: Kartenstudien führten mir deutlich vor Augen, dass der Twäriberg wirklich sehr steil ist und ob ich tatsächlich vom Gipfel weg würde starten können, schien mir nach anfänglichem Optimismus zusehends fraglich. Zweifellos eine Ungewissheit, die meine Unternehmungslust und Neugierde befeuerte. Da ich lieber zu Tal fliege als laufe und da für einen Start vom Twäriberg Windrichtung und -stärke makellos sein müssen, habe ich mich detaillierter mit der Planung auseinandergesetzt, als dass ich es bei einfacheren Touren zu tun pflege. Je kleiner der Spielraum, desto weniger Ausweichmöglichkeiten, desto besser müssen die äusseren Konditionen zusammenpassen, desto eingehender muss geplant werden, aber auch desto eher neigt der Mensch dazu, eine Unstimmigkeit zugunsten seines Ziels/Plans zu übersehen und verklären. Das sind Stolpersteine und Entscheidungsfallen, die durch Stressoren (Müdigkeit durch Aufstieg, Kälte, Frust, etc.) verschärft werden. Dass man reif und fit genug ist, bei widrigen Startbedingungen auf einen Flug zu verzichten und ins Tal zu laufen, ist unbedingte Voraussetzung für die Gleitschirmfliegerei per se und Hike & Flys im Speziellen. Bei unbekannten Startplätzen und -bedingungen ist man daher gut beraten, die Tour als Hike & Hike zu planen. Kommt es besser als gedacht, kann man ins Tal fliegen. Das ist sehr konservativ, aber auf diese Art kann man zumindest Zeit- und Wetterfallen, etc. weitgehend vorbeugen. Doch ich verliere mich in Details und lasse diese nicht weiter ausgeführte parapsychologische Wegzerrung mal so stehen. Nun, ich malte mir aus, dass ein windschwacher, NW-komponentiger und thermikarmer Tag den Start, wenn nicht gar erst ermöglichen, so doch bestimmt vereinfachen würde und wartete auf gegebene äussere Bedingungen. Der 2. August 2021 sollte sie bringen; die Regenfälle der letzten Tage und die damit einhergehende Restfeuchte würde als Thermikdämpfer fungieren, gleichwohl war ein Abtrocknen vorgesehen, so dass die Wolkenbasis über 2000 m steigen würde, der Wind kommt sacht aus Nordwest, die Bodentruppen haben ihr Pulver verschossen und dem Unternehmen Twäriberg sollte nichts mehr im Wege stehen.
abwechslungsreicher, teils exponierter Aufstieg (T4) und anspruchsvoller Startplatz zwingend NW
vorzugsweise im Herbst
Anreise
Weglosen (Talstation der Hoch-Ybrig Bergbahnen und Landeplatz) erreicht man in 1h20min ab HB via Wädenswil und Einsiedeln mit den ÖV. Rund eine Stunde dauert es mit dem Auto ab Zürich. Ein grosser, kostenfreier Parkplatz befindet sich unmittelbar neben Bahn und Landeplatz.
Aufstieg
Ab Weglosen dem gut bezeichneten (weiss-blau-weiss) Alpinwanderweg in Richtung Druesberg (-hütte) folgen. Zuerst steil durch den Wald, dann die Leiteren hoch durch das Felsband, teils exponiert (Metallleiter) jedoch gut gesichert, vor allem aber Höhenmeter überwindend und schweisstreibend. Ab Gruebi (1420 m) wird es lieblicher und flacher, Bergweiden hoch zur Druesberghütte und mit oder ohne Pausenbrause weiter zu Punkt 1601 m. Von da links weg dem Alpinwanderweg folgen, Weidewege. Ab Punkt 1741 m wird es wieder etwas steiler und die Markierungen werden rarer; dem Pfad links (Markierung Twäriberg auf Stein) hoch dem Geröllfeld folgen und über Karstflanken durch Geröll zur Twäriberglücke (2030 m). Den Grat entlang steigen, das Gipfelkreuz zeigt sich schon bald. Marschzeit 2-3 h. Der Weg gilt als T4, alpines Wandern und eine alpine Ausrüstung wird empfohlen. Nach meinem Dafürhalten geht es ohne, aber wie immer gilt: Selbst ist die Frau/der Mann. Es gibt drei Stellen, da man während ca. 10 m exponiert und ungesichert gehen muss (davon eine Leiter). Bei Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sind dies meines Erachtens keine gröberen Schikanen. Der Aufstieg führt durch Felsbänder und brüchiges Karstgestein, da ist Steinschlag möglich, wie immer in den Bergen.
Start
Sehr steil, kleinräumig und bewachsen. Ein Startabbruch ist schwierig. Direkt auf dem Gipfel gibt es einige "ebene" Quadratmeter, da man sich vorbereiten kann. Dann suche man sich eine für sich geeigneten Fleck. Auslegen und Startvorbereitungen gestalten sich mühsam, es empfehlen sich kleine und leichte Schirme mit kurzen Leinen. Vorsicht: der Gipfel ist klein und steil und kann daher von allen Seiten angeström und umspült werden, zum Beispiel Thermik aus SO/S. Leichter Hangaufwind oder schwacher NW ist ein Muss! Bei Null- oder Rückenwind rate ich vom Start ab. Im Zweifelsfall auf den Start ab Gipfel verzichten. Zahlreiche alternative Startmöglichkeiten finden sich zwischen Twäriberglücke und Druesberghütte.
Flug
Eher von der Sorte Abgleiter, da kleine und leichte Schirme sich für den Start besser eignen. Zurück zum Ausgangspunkt oder so weit das Tuch trägt. Vorsicht vor Heuseilen über den Alpweiden.
Landeplatz
Offizieller Landeplatz in Weglosen, direkt bei Bahn und Parkplatz. Grossräumig und einfach. Bekanntes, mit Bojen markiertes Seil von Landplatz nach Gruebi. Der Talwind kann hier an thermischen Tagen stramm wehen. Wie gesagt aber sind thermische Tage für den Start ab Twäriberg eher ungeeignet.
Obacht
Schwieriger Start. Peter R. und seinesgleichen treiben ihr Unwesen.
Fazit
Sehr abwechslungsreicher Aufstieg, eine schöne (alpine) Wanderung. Eindrücklicher Gipfel, mehr Vier- als Zweibeiner. Beim Start muss vieles zusammenpassen, schwierig. Die Tour sei darum nur erfahrenen Pilotinnen und Piloten mit einer Leichtausrüstung empfohlen. Nach gemachten Erfahrungen und Eindrücken scheint der Herbst die geeignete Jahreszeit (weniger Thermik und evt. tiefere Vegetation am Startplatz). Gute Tour!
Der steile Zahn im Sihltal
Von wegen weglos...weiss-blau-weiss zeigt die Richtung!
Durch das Felsband hoch, steil und schweisstreibend.
Gut gesicherte Kraxelstelle und die etwas exponierte Leiter im Hintergrund.
Ab Gruebi wird es flacher und lieblicher, den Gipfel vor Augen.
Und die Nachbarn nicht weit: Roggenstock und im Hintergrund Klein und Gross Mythen.
Diese Abzweigung gilt es nicht zu verpassen. Im Hintergrund Druesberg (links) und Forstberg (mittig).
Blick von der Twäriberglücke über die eben passierten Geröllfelder in Richtung Hoch-Ybrig.
Jööö, Geisse! Wenn man mehr Vier- als Zweibeiner trifft, weiss man, dass man am richtigen Ort ist, oder wie war das?
Ganz offensichtlich versuchte eine sich prominent in Szene zu setzen. Na ja, dachte ich, kann ich verstehen, die sehen ja auch nicht oft Menschen hier.
Ich fand das wirklich sympathisch: Ein Begegnen auf Augenhöhe ohne Maske und Ängste. Hier in den Bergen ist die Welt eben noch in Ordnung, habe ich gedacht!
Das Eis schmolz, der Vorhang fiel, und es zeigte sich...
...dass Peter R. nur an sich interessiert ist und mich bloss als Sprungbrett für seine Influencer-Karriere benutzen will...
...und hemmungslos bereit ist alles zu tun, um Aufmerksamkeit und Linse auf sich zu ziehen.
Nennen wir das Kind beim Namen: Peter R. ist eine Problemziege, eine von vielen, die wir in den Schweizer Alpen hüten und durchfüttern.
Flucht nach vorne: Ab Twäriberglücke der Krete entlang in Richtung Gipfel.
Imposante Karstfellswände kurz vor dem Gipfel.
Blick zurück zur Twäriberglücke. Im Vordergrund eine von drei exponierten Stellen, ca. 10 m lang. Im Hintergrund Peter R. und seine Follower.
Das Finale.
Oben auf dem Twäriberg, 2117 m ü. M.
Blick Richtung N/NW über Schülberg zum Sihlsee.
Und in die Tiefe, der Flanke entlang runter. Dies der Starthang.
Der Blick zurück.
Leicht und klein ist am Twäriberg fast ein Muss, ganz bestimmt aber meine Empfehlung. Schöne Tour euch!