Gedanken

Über Freude, Frust, Ziel und Einstellung

Was ist Dein Neujahrsvorsatz? Hast Du ein (fliegerisches) Ziel für das neue Jahr gesteckt? Viele von uns nehmen sich verschiedene Dinge vor, sei das die Flächenbelastung zu reduzieren oder weiter zu fliegen. Oftmals versanden diese Ziele jedoch.

Gibt es einen besseren Ansatz als ein Ziel?

Ein Ziel ist der Endpunkt einer Bestrebung. Also eine messbare Gegebenheit oder ein geographischer Ort in der Zukunft. Ein Ziel lässt wenig oder keinen Spielraum, entweder es wird erreicht oder nicht. Ein Ziel zu haben ist, gerade beim Fliegen wo man geografisch vorwärts kommt, verlockend und naheliegend.

50 Kilometer.100 oder gar über 200. Ein FAI Dreieck. Von Fiesch nach Chur. Das sind alles Ziele. Manchmal erreichen wir sie, häufig auch nicht.

Und dann sind wir frustriert. Wir sitzen bei schönstem Sonnnenschein auf der Blumenwiese im Tal, inmitten des atemberaubenden Bergpanoramas und sind gefrustet weil wir abgesoffen sind.

Auf meinen vielen Flugreisen merke ich, dass das Streckenfliegen, das sich Messen in Kilometern, immer stärker gewichtet wird. Wir möchten uns möglichst selbstoptimieren, den 100er schaffen um im XC-Contest zu Ruhm und Ehre zu kommen. Das Leistungs-Streckenfliegen ist mittlerweile in der Wahrnehmung vieler Piloten das Mass aller Dinge. Diese Leistungsorientierte Einstellung führt dann manchmal zu verpassten Möglichkeiten und auch unsicheren Erlebnissen. Das, weil die meisten Piloten gar noch nicht in der Lage sind, diesen hohen Ansprüchen an das eigene fliegerische Erlebnis gerecht zu werden. 

Die Kehrseite der Medaille

Ein weitere Kehrseite von messbaren Zielen ist, dass der Weg möglichst gradlinig verlaufen soll. Wir sind fokussiert und möchten etwas erreichen. Das kann sehr befriedigend und lehrreich sein. Dafür verzichten wir aber auf all das Spannende am Wegesrand. Fliegerisch gesprochen, verzichten wir darauf dem Adler zu folgen, der unseren Weg kreuzend in eine andere Richtung fliegt, nur um unser Ziel zu erreichen und verpassen so vielleicht das absolut schönste Flugerlebnis des Jahres.

Ein Ziel haben kann motivieren, ein Ziel erreichen kann beglücken. Die Landung nach einem erreichten Ziel-Streckenflug ist unvergleichbar gut. Aber die unvermeidliche Kehrseite der Medaille ist, dass ein nicht erreichtes Ziel auch ganz schön frustrieren kann. Und auch ein erreichtes Ziel hinterlässt im Nachgang eine gewisse Leere, man muss sich neu orientieren und nach etwas weiterem und höherem suchen und wird ein getriebener seiner eigenen Ansprüche.

Neugier und Spiel

Ziele sind Dinge aus der Erwachsenenwelt. Kinder haben noch fast keine Ziele, die über das spielerische erreichen von unmittelbarer Befriedigung hinausgehen. Kinder spielen und lernen mit Neugier und folgen dabei keinem gradlinigen Weg. Nichts muss erreicht werden und alles ist noch möglich.

Das ist genau das, was ich in den letzten Jahren beim Fliegen immer mehr erleben möchte. Das Fliegen soll vor allem Freude machen und spielerisch sein. Es ist meine Freizeit und eigene Freiheit, es sind wenige Stunden gemessen an Lebenszeit und die sollen erfüllend sein. Und zwar möglichst auch auf dem Weg zu einem Ziel. Und genauso auch beim, manchmal erzwungenen, abweichen vom Ziel. 

Die Einstellung

Hier kommt ein Wort ins Spiel, das mir mittlerweile viel wichtiger als ein messbarer Endpunkt ist. Wenn man so will eine Lebenshaltung, die sowohl ohne wie auch mit konkreten Zielen auskommt und die den kurzfristigen Zielen vor allem erst wirklichen Sinn verschafft.

Dieses Wort heisst Absicht oder Einstellung. Es ist das WIE und nicht das WAS. Es ist das „ich bin“ und nicht das „ich werde machen“.

Eine Einstellung ist eine Grundhaltung, die definiert, wie wir uns im Leben verhalten und zeigen möchten. Nur, was sich innerhalb dieses Bereichs bewegt, kommt dann in Frage. Somit dient sie als Entscheidungshilfe und Wegweiser. Sie definiert auch, wie wir etwas erleben. Und lässt somit viel mehr Möglichkeiten zu, als der eine Endpunkt einer Bestrebung oder ein geografischer Ort.

Eine Einstellung sollte nicht mit einem Ziel verwechselt werden. Ein Ziel ist ein Punkt oder Zustand in der Zukunft. Eine Einstellung beinhaltet die Gegenwart. Einstellungen werden aus der Intuition geboren und dienen als Wegweiser auf dem Flug. Ohne eine klare Einstellung zu haben, ist das Ziel wie ein Flug mit einem zu grossen Schirm, es macht keinen Spass und man wird von Wind und Turbulenz in ungewollte Richtungen gelenkt. Man endet dann oft im sprichwörtlichen Lee oder auf dem Talgrund.

In einem sich innert Minuten verändernden und nie total planbaren Umfeld wie bei einem Gleitschirmflug, ist die fliegerische Absicht oder Einstellung viel wichtiger und befriedigender als das in Kilometern oder Zeit gemessene Ziel. Schliesslich führt das Ziel zu Erwartungen, die in diesem Umfeld sehr schnell enttäuscht werden. Ausserdem machen Erwartungen das Denken eng, weil die Situation meist nicht genau das bietet, auf das wir uns eingestellt haben und enges Denken führt beim Fliegen schnell zu gefährlichen Situationen.

Eine klare Einstellung hilft uns, Möglichkeiten wahrzunehmen und kurzfristige Ziele zu formulieren. Beispiele für sinnvolle Einstellungen beim Fliegen könnten sein: „Ich bin ein sicherer Pilot“ oder „Ich bin neugierig und geniesse jeden Moment“ oder „Ich bin vorbereitet“. Alle kommenden Entscheide werden dann aufgrund dieser Werte gefällt und haben somit ein festes Fundament.

Wie möchtest Du Dein fliegerisches Jahr erleben? - Das Team paraworld.ch wünscht Dir viel Spass beim finden deiner Einstellung zum Fliegen. Und noch viele sichere, kleinere und grössere, Abenteuer!