Der Retter rettert. Dies setzt jedoch voraus, dass man ihn im Notfall braucht und findet. Der Griff an den Notschirm (GAN) ist ein einfaches Trainieren und Vorbereiten für den Ernstfall. Denn zum Brauchen ist er da, Cowboys & -girls!
Auf der Slowenienreise anno 2017 wurde der nachfolgende Notschirmabgang zufällig mit einer Helmkamera aufgezeichnet. Auf den ersten Klapper (nicht auf dem Video) ohne Reaktion seitens der Pilotin, folgt der Gegenklapper, worauf der Hauptschirm sehr schnell und steil in eine Spiralbewegung übergeht (auch hier ist kaum eine Reaktion ersichtlich). Dann aber reagiert die Pilotin sehr schnell und richtig und wirft den Retter, der wenige Meter über Grund vollkommen trägt. Die uns nicht weiter bekannte Pilotin einer deutschen Reisegruppe landete unweit des Startplatzes des Stols in einer Wiesenmulde und blieb glücklicherweise unversehrt.
Stol (Slowenien) – Juni 2017
Ein tragisches Gegenbeispiel sind die beiden Todesfallmeldungen in der letzten Ausgabe des SWISS GLIDERS (Juli 2017, Seiten 5 und 6): in beiden Fälle fand sich der erfahrene Pilot nach einer Störung in einer Rotationsbewegung wieder und prallte auf, OHNE den Notschirm gezogen zu haben. Leider sind das keine Einzelereignisse. Viele Zwischenfälle hätten nicht als folgenschwere Unfälle geendet, wenn der Notschirm geworfen worden wäre. Eine Höhe, die zu gering ist, als dass der Retter noch nützen könnte, gibt es grundsätzlich nicht; ein moderner, regelmässig neu gepackter Notschirm öffnet und trät im Idealfall binnen weniger Höhenmeter und Sekunden. Darum, Pilot und Pilotin, schreib Dir hinter die Ohren: Wenn immer Du Dich in einer Rotationsbewegung wiederfindest, die zu stoppen Du nicht imstand bist, wirf den Notschirm. Wenn immer Du Dich nah über Grund (wenn sich die Frage stellt, ob Du nun nah über Grund bist oder nicht, dann bist Du nah) in einem unkontrollierten Flugzustand befindest, wirf den Notschirm!
Wie das Verhalten bei Klappern oder ungewollten Rotationsbewegungen, so kann und soll auch die Nutzung, sprich der Wurf des Notschirms geübt und mental vorbereitet werden.
MENTAL
Erstens: Der Notschirm darf und soll kein Tabu- oder Angstthema sein. Der Notschirm fliegt immer mit und soll im Notfall zum Einsatz kommen. Er ist Schutzengel und Retter in der Not; höchste Zeit, sich mit ihm anzufreunden und Berührungsängste abzulegen. Eventuell hilft dabei, sich mit Funktion und Aufbau eines Notschirms vertraut zu machen.
Zweitens: Gestresst, in einer Notsituation, erwacht der Affe in uns: instinktiv wollen wir uns festhalten und umklammern dabei alles, was uns gerade in die Hände kommt. Beim Pilotieren sind das meist als erstes die Traggurte. Sobald die Traggurte geklammert werden, ist der Pilot manövrier- und handlungsunfähig: weder kann dann eine Reaktion mit den Bremsen erfolgen, noch ein Retterwurf. Sich dieses Instinkt bewusst zu sein hilft, im Notfall gegen ihn zu handeln. Die Traggurte sind ohnehin heiss und fettig, darum Hände weg.
Drittens: Auch der eigentliche Wurf erfolgt gegen den Instinkt: in einer Situation da ich klammern möchte, muss ich etwas von mir wegwerfen und loslassen. Auch hier hilft das Bewusstsein, gegen den Instinkt zu handeln.
Um einen bildhaften Vergleich zu ziehen: Gedanken an ein Thema, an eine Tat oder Situation sind der Wegfindung durch den Urwald gleich: Je öfter ich einen, vorerst nur als Andeutung existierenden Weg laufe, desto einfacher wird es, bis schliesslich ich, nach wiederholtem Mal, mühelos auf dem nun ausgetretten Pfad schnell vorankomme. Pfade den Weg zum Notschirmwurf im Dickicht Deiner Nervenbahnen und -zentrale.
GRIFF AN DEN NOTSCHIRM (GAN)
Nebst tatsächlichen, vorsätzlichen Notschirmwürfen in einem Siku, bieten sich fürs Training Gurtzeuge mit Notschirmattrappen an, sowie der Griff an den Notschirm (GAN) während dem freien Flug. Wir empfehlen: mach' bei jedem Flug den Griff an den Notschirm. Tue das in freier Luft, fern des Start- und Landeplatzes und anderer Schirme. Bei Schulungsflügen liegt es nahe, den GAN in der Manöverbox zu machen, bevor Du mit dem ersten Manöver startest. Lass' dafür die rechte Bremse los, greif mit der Hand zum Knie und lasse sie dann kontrolliert dem äusseren Oberschenkel entlang nach hinten zum Notschirmgriff rutschen, bis Du den Griff fest in der Faust hältst. Stelle Dir den Wurf vor: in einer Bewegung ziehst Du den Packen mit aller Kraft seitlich raus und weg von Dir (das Rausziehen geht ohne Ausholen direkt in die Schleuderbewegung über). Wiederhole dies ein paar Mal, wie der Mann im grünen Pulli.
GAN im Liegen
Bei Liegegurten empfehlen wir, nicht nach dem rechten Knie, sondern zum rechten Karabiner zu greifen und dann die Hand (mehr oder weniger) senkrecht nach unten zum Notschirmgriff wandern zu lassen. Der grüne Mann hat es geübt. Wer diesen Bewegungsablauf übt, wird schneller. Körperbewegungen zu erlernen und diese auch in sich verändernden Situationen schnell und präzise auszuüben basiert primär auf Übung und Wiederholung: Werden Bewegungen wiederholt ausgeführt, vergrössern sich jene Nervenareale, die diese Bewegungen auslösen können, einem trainierten Muskel gleich. Diese Vergrösserung passiert bereits nach wenigen Wiederholungen.
GAHH..Hä?
Griff an den Hintern!
Warum erst der Umweg über Knie bzw. Karabiner? Unbeherrschte Störungskaskaden enden meist in einer stabilen Rotationsbewegung. Bei Rotationsbewegungen treten Flieh- und Beschleunigungskräfte auf, die auf den ganzen Körper einwirken. Greife ich in einer solchen Kräftesituation, ohne Führung und Fixpunkt zum Notschirmgriff, sind Hand und Arm ungleich schwerer und die Wahrscheinlichkeit, dass ich am Gurtzeug vorbei ins Leere fasse oder an meinen Gesässprotektor, ist sehr gross, der Gesichtsausdruck des grünen Mannes entsprechend verdattert. Darum empfehlen wir Dir: Fixpunkt Knie oder Karabiner anpeilen und dann kontrolliert zum Griff rutschen.
Machst Du als weitsichtige Pilotin den Griff zum Notschirm bei jedem Flug, solltest Du eine gute koordinative Bereitschaft aufweisen, die Dir zweifellos helfen wird, den Retter in brenzliger Situation zu benutzen und schneller zu ziehen als Dein Schatten. Peng peng.
In unseren Saloons in Luzern und Zürich kannst Du jederzeit den Demonotschirm ziehen.